Die Rechtschreibreform und die Diskussionen darum liegen nun schon eine Weile zurück. An vieles hat man sich gewöhnt, vieles – dass man „dass“ mit Doppel-s schreibt zum Beispiel – war ja auch vernünftig und logisch. Um so mehr bin ich einiger Dinge überdrüssig, an die ich mich nicht gewöhnen werde. Zwei Beispiele:
Das Wort „Potential“ sollen wir „Potenzial“ schreiben. Das ist eine dümmliche und völlig unlogische Anpassung an die Aussprache, die man nur für dieses eine Wort vorgenommen hat. In allen anderen aus dem lateinischen stammenden Fremdwörtern ist man beim lateinischen -ti- geblieben, auch wenn das im Deutschen wie -zi- ausgesprochen wird. Wer also „Potenzial“ schreibt, muss auch Informazion, parziell, marzialisch und – besonders peinlich – Nazion schreiben (peinlich vor allem, wenn man es trennt).
Genauso unsinnig: Statt „aufwendig“ sollen wir „aufwändig“ und statt „Schenke“ „Schänke“ schreiben. Der Umlaut „ä“ ist in beiden Fällen unsinnig, da die Wortstämme aufwenden und schenken ein e und kein a enthalten. Logischerweise müssten wir sonst auch notwändig und Geschänk schreiben. Ein Appäll Appell an die Kultusministerkonferenz wegen solcher Kleinigkeiten wird vermutlich des Erfolgs entbehren. Aber da die Rechtschreibreform ohnehin nur für Schulen und Behörden verbindlich ist und jeder andere so schreiben darf wie er will, gilt der Aufruf zumindest allen Leserinnen und Lesern dieser Zeilen, sich bei den genannten Wörtern der Logik und nicht des Dudens zu bedienen – sonst fördern wir die Entstehung von Schreib-Waisen …
P.S.: Wer mich ob dieses Artikels für zenkisch hält, hat unrecht: Es muss nämlich „zänkisch“ heißen – hier ist der Umlaut richtig, weil „zänkisch“ von „zanken“ kommt …
P.P.S. Wer sich dieses Artikels zum wiederholten Male erfreut, wird ob einiger Änderungen der Ausdrucksweise nach deren Sinn fragen. Ich habe den Text ein wenig dem Anliegen des Manifests der Freunde des Genitivs angepasst … – guckst Du hier: https://kraftwort.wordpress.com/2009/05/25/manifest-der-freunde-des-genitivs/
3. Januar 2010 at 19:39
Wohlfeile Argumente, denen ich mich nicht entziehen kann. Nur 2 Anmerkungen:
– Eine Sprache wird nie logisch sein. Das konnte die Reform im Deutschen weder verbessern noch verschlechtern.
– Beim Potenzial geht es nicht um das lateinische „-ti plus Vokal“. Das Wort wurde von Potenz abgeleitet. „Informaz“, „Naz“ und „marz“ fehlen im deutsche Wortschatz.
5. Januar 2010 at 19:58
Hallo, Theomix,
dass Sprache nie logisch ist, trifft natürlich zu. Sprache ist ein dynamisches Geschehen,d as vor allem gesprochen wird. Das Schreiben ist nur eine Fixierung dessen, was gesprochen worden ist oder gesprochen werden kann, und dabei darf man sich IMHO zumindest um größtmögliche Logik bemühen. Zu dieser Logik gehört, dass der Wortstamm am Verb erkennbar ist – deshalb der Ärger über „aufwändig“ und „Schänke“. Beim Potential geht es sehr wohl um das lateinsiche -ti-, so wird nämlich das Wort „potentialis“ geschrieben. Deshalb gehört es für mich in eine Reihe mit Nation und ähnlichen Worten. Rolf scheint Schweizer zu sein, dann kann man ihm den WUnsch nachsehen, „Nazion“ schreiben zu wollen. Für mich als Deutschen finde ich es unmöglich, weil dann im Trennungsfall das Wort „Nazi“ ins Auge fiele, das möchte ich vermeiden. Und wir sind ja mit dem „zi“ gesprocheenen „ti“ im Deutschen lange gut gefahren; warum sollte man das ändern?
6. Januar 2010 at 06:29
Da zäumt man aber das Pferd vom Schwanz her auf. Denn „Potenz“, potentia, ist ja nur das, was jemand hat, der (oder die) potent ist. Und da bleibt das t wieder bestehen. Unser Z ist eine phonetische Konjektur aus t-s, das nehmen wir vielleicht hin…
übrigens ist man auf französisch nicht „potent“, sondern „puissant“ (mächtig), und das Wort „potence“ beschreibt – den Galgen. Wer also mit seiner Potenz prahlt, hat den Strick schon… in der Hand oder um den Hals?
4. Januar 2010 at 14:35
Bitte meine stellungnahme beachten:
http://www.korrekturen.de/forum/index.cgi/read/16549
Zusätzlich ist betreffend «potenzial» zu bemerken, dass es das wort «potenz» gibt; bei «nation» gibt es dieses nebeneinander und damit die schreibschwierigkeit) nicht. Abgesehen davon, wäre ich eigentlich dafür, wie im italienischen «nazion» zu schreiben.
Geschrieben gemäss http://www.kleinschreibung.ch
Rolf Landolt
8. Januar 2010 at 15:07
Lieber Rolf, danke für den Kommentar, auch wenn ich die mitgeteilten oder verlinkten Auffassungen nicht teile.
Zunächst: Der Link führt mich zu einer Diskussion um die Trennung des Wortes „Hektare“, von der ich nicht weiß, was sie mit meinem Text zu tun hat.
Zum Thema Kleinschreibung muss ich festhalten, dass ich komplett anderer Meinung bin. Die Differenzierung der Schreibweise ist eine IMHO sehr hilfreiche Strukturierung eines Textes. Reine Kleinschreibung ist schon ophtalmisch anstrengender, mental ebenfalls und sie produziert gelegentlich auch Doppeldeutigkeiten, die die derzeit übliche Differenzierung auf einfache Weise vermeidet. (Klassisches Beispiel: „Wir haben in berlin liebe genossen“). Ich habe mir die kleinschreibungs-seite einmal angesehen. Warum die Organisation ausgerechnet in ihrer eigenen Abkürzung „BVR“ Großbuchstaben benutzt, ist mir nicht klar. Vollends abschreckend fand ich den Beispieltext von Goethe (der eigentlich nach den BVR-Regeln „Goete“ geschrieben werden müsste) – kleiner Auszug: „So rennt und läuft nun ein jeder, um den traurigen zug der armen fertribnen (sic!) zu seen.“ Wenn ich „zu seen laufe“ ist das auch schon wieder nicht so eindeutig, wie wenn ich laufe, um „zu sehen“ oder wenn ich eben „zu Seen“ laufe. Wer die „Kulturgüter Sprache und Schrift“ pflegen möchte, sollte m.E. die Differenzierung von Groß- und Kleinschreibung zu schätzen wissen und der (ohnehin unmöglichen) „Digitalisierung“ der Sprache in der Schrift entgegenwirken.